Eunice Shriver und Bruder US-Präsident John F. Kennedy mit deutschen Spitzenpolitikern 1963 in Bonn

Stichtag

24. Juni 1963 - Der Deutsche Entwicklungsdienst (DED) wird gegründet

"Es müssen die Beziehungen neu geordnet werden zwischen den reichen Industriestaaten und den Entwicklungsländern, von denen viele vor Kurzem noch Kolonien waren", sagt Walter Scheel (FDP) am 24. Juni 1963 bei der Gründung des Deutschen Entwicklungsdienstes (DED). Neben dem ersten Entwicklungshilfeminister der Bundesrepublik ist in der Bonner Villa Hammerschmidt viel Prominenz anwesend: Dabei sind nicht nur Bundespräsident Heinrich Lübke und Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU), sondern auch John F. Kennedy. Der US-Präsident steht Pate für die Einrichtung, die Scheel als "ein neues, vielleicht das wichtigste Instrument unserer Entwicklungspolitik" bezeichnet.

Vorbild für den DED ist das 1961 von Kennedy gegründete "Peace Corps". Während bei der amerikanischen Institution jedoch nur freiwillige Studenten zum Einsatz kommen, sollen die deutschen Entwicklungshelfer über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen. Zudem ist der DED bewusst nicht als staatliche Behörde, sondern als privatrechtliche Organisation konstruiert: Damit soll die Entwicklungszusammenarbeit unabhängig von außenpolitischen Zwängen erfolgen können. Rechtlich ist der DED eine gemeinnützige GmbH. Gesellschafter sind die Bundesrepublik, die auch für die Finanzierung aufkommt, sowie der Arbeitskreis "Lernen und Helfen in Übersee", ein Zusammenschluss privater entwicklungspolitischer Organisationen.

"Zufluchtsstätte von linksrevolutionär Programmierten"

"Nüchterne Abenteurer gesucht" - mit diesem Slogan wirbt Scheel für DED-Einsätze in sogenannte Entbehrungsländer. Nach drei Monaten Ausbildung inklusive Überlebenstraining reisen im August 1964 die ersten 14 Freiwilligen nach Tansania. Weitere Länder wie Libyen, Afghanistan, Indien, Ghana, Bolivien und Nepal folgen. Die Einsätze dauern zwei bis drei Jahre. Entwicklungshelfer erhalten keinen Lohn, sondern nur Geld für den täglichen Bedarf. Im Entwicklungshilfegesetz von 1961 heißt es: Sie verpflichten sich, "partnerschaftlich zum Fortschritt von Entwicklungsländern beizutragen". Der DED versteht sich als Fachdienst mit sozialem Gewissen.

Die Entwicklungshilfe soll unpolitisch sein: Sie richtet sich an Land und Leute, nicht an Parteien und Herrscher. Doch das soziale Engagement von den politischen Rahmenbedingungen zu trennen, ist nicht immer leicht. So geraten Helfer gerade in Lateinamerika immer wieder in Konflikte mit den Regierungen ihrer Einsatzländer. Das wirkt sich auch auf die bundesdeutsche Innenpolitik aus: Als 1972 in Bolivien ein DED-Mitarbeiter ausgewiesen wird, der einem Regimegegner zur Flucht verholfen hat, bezeichnet der Bundestagsabgeordnete Hans Roser (CSU) den Dienst als "Zufluchtsstätte von linksrevolutionär Programmierten". In einer Bundestagsdebatte kontert der damaligen Entwicklungshilfeminister Erhard Eppler (SPD) und spricht vom DED-Freiwilligen als "friedlichem Revolutionär", "der durch praktische Arbeit auf friedliche und gewaltlose Weise politischen und gesellschaftlichen Fortschritt bewirkt".

Identität nach Fusion verloren?

Die ersten Entwicklungshelfer des DED bauen in Tansania feste Wohnhäuser, wo zuvor Schilfhütten gestanden haben. Im Lauf der Jahrzehnte wandelt sich das Tätigkeitsfeld: Ende der 1990er Jahre werden aus Helfern vor Ort zunehmend Entwicklungsexperten, die Regierungen beraten. Denn inzwischen haben auch ärmere Länder eigene Fachkräfte. 2010 setzt Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) eine Fusion bei der Entwicklungshilfe durch. Aus den drei Organisationen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit - dem DED, der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) und der Weiterbildungsagentur Inwent - entsteht die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) - eng angebunden an das Ministerium.

Die zum Januar 2011 vollzogene Vereinigung habe die staatliche Entwicklungshilfe effizienter und schlagkräftiger gemacht, bilanziert Niebel. Nun arbeiten die DED-Helfer fast ausschließlich in Regierungsprogrammen. Kritiker hingegen wollen die dezentrale Arbeit wieder stärken: Ende Mai 2013 richten 750 ehemalige DED-Entwicklungshelfer einen Appell an Politik und Gesellschaft. Sie wollen einen zivilgesellschaftlichen Entwicklungsdienst gründen. Denn der DED habe innerhalb der GIZ seine Identität verloren. Der Leitgedanke "Lernen und Helfen in Übersee" habe darin weder strukturell noch ideell einen Platz. Insgesamt sind seit der Gründung des DED rund 16.000 Helfer in Einsatzländer gereist.

Stand: 24.06.2013

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