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Jugendschutz: EU-Kommission leitet Verfahren gegen TikTok ein

Stand: 19.02.2024, 21:10 Uhr

TikTok ist die mit Abstand populärste App bei Kindern und Jugendlichen. Die EU-Kommission leitet nun ein offizielles Verfahren gegen die chinesische App ein. WDR-Digitalexperte Jörg Schieb erklärt, welche Gründe eine Rolle spielen.

Laut einer aktuellen Umfrage geben rund 73 Prozent der 16- bis 19-jährigen Deutschen an, TikTok zu nutzen. Das offizielle Mindestalter liegt bei 13 Jahren. Eigentlich müssten dann die Eltern ihre Zustimmung geben. Allerdings wird das von der chinesischen App nicht wirklich überprüft.

Unzureichender Jugendschutz?

Mangelnde Altersverifikation ist nur ein Grund, wieso die EU-Kommission nun eine offizielle Untersuchung gegen die chinesische Videoplattform TikTok eingeleitet hat. Bei dem formalen Vorgang soll geprüft werden, ob TikTok gegen die Vorgaben des Digitale-Dienste-Gesetzes ("Digital Services Act“/DSA) verstößt. Der Digital Services Act stellt große Plattformen – und dazu gehört TikTok – seit August 2023 unter besondere Beobachtung.

Das nun eingeleitete Verfahren betrifft mögliche Verstöße in den Bereichen Jugendschutz, Werbetransparenz, mangelndem Datenzugang für Forscher sowie das Risikomanagement für abhängig machendes Design sowie schädliche Inhalte. Darüber hinaus stelle der Konzern keinen ausreichenden Zugang für Forscher und Institutionen bereit.

Süchtig machende Faktoren

Ausdrücklich angesprochen hat der zuständige EU-Kommissar Thierry Breton "süchtig machendes Design und Zeitlimits“, die den sogenannten Rabbit-Hole-Effekt auslösen können. Jugendliche Nutzerinnen und Nutzer legen die App demnach gar nicht mehr beiseite, weil ständig neue Impulse über sie hereinbrechen: Endloses Scrollen, Benachrichtigungen bei neuen Videos und andere Mechanismen, die süchtig machen können.

Auch Instagram wurde schon diesem Vorwurf ausgesetzt. Die Plattformen nutzen gezielt psychologische Kniffe, die Dopamin ausschütten und so die User möglichst lange in der App halten – schließlich kann die Plattform so mehr Geld mit Werbung verdienen. Bei Kindern und Jugendlichen verstoße das aber gegen geltendes Recht, so die EU-Kommission.

Hohe Strafen möglich

EU-Kommissar Breton wird mit den Worten zitiert: "Als Plattform, die Millionen von Kindern und Jugendlichen erreicht, muss TikTok das Gesetz über digitale Dienste uneingeschränkt einhalten und eine besondere Rolle beim Schutz Minderjähriger im Internet spielen“.

Das Vertragsverletzungsverfahren werde eingeleitet, "um sicherzustellen, dass angemessene Maßnahmen ergriffen werden, um das körperliche und emotionale Wohlbefinden junger Europäerinnen und Europäer zu schützen“.

Es drohen Strafen von bis zu 6 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Laut Handelsblatt lagen die Erlöse des Mutterkonzerns Bytedance im Jahr 2022 auf über 80 Milliarden Dollar. Damit sei eine Maximalstrafe von 4,8 Milliarden Dollar denkbar.

Sex, Challenges und Bilder aus Kriegsgebieten

Doch auch die ausgespielten Inhalte werden untersucht, also welche Videos der Algorithmus Minderjährigen zeigt. Zum einen kommt es vor, dass Jugendliche unangemessene Inhalte zu sehen bekommen.

Auf TikTok tauchen regelmäßig lebensgefährliche Challenges (Mutproben) auf.

Auf TikTok gibt es regelmäßig lebensgefährliche Mutproben

Darunter fallen sexuell aufgeladene Inhalte, aber auch Bilder aus Kriegsgebieten - oder, und das immer wieder, lebensgefährliche "Challenges“. Bei einigen der "Challenges" werden Jugendliche motiviert, gefährliche Dinge zu tun, etwa schädigende Substanzen zu konsumieren oder lebensgefährliche Mutproben zu bestehen.

Politische Botschaften und Radikalisierung

Zum anderen soll auch der Effekt der TikTok-Videos auf Radikalisierungsprozesse untersucht werden. Auch Jugendliche bekommen regelmäßig Videos mit politischen Botschaften zu sehen. Deshalb will die Kommission prüfen, ob und wie die Plattform gewährleistet, dass Minderjährige "effektiv“ vor unangemessenen Inhalten geschützt werden.

Laut Digital Services Act müssen die Plattformen von sich aus geeignete Maßnahmen ergreifen und regelmäßig Berichte erstellen. Die waren zuletzt wohl unzureichend.

Unsere Quellen:

  • Dpa
  • Eu-Kommission
  • Handelsblatt-Recherchen