Streit um Pro-Palästina Proteste an Unis

Aktuelle Stunde 10.05.2024 42:09 Min. UT Verfügbar bis 10.05.2026 WDR Von Henry Bischoff

Antisemitismus an Unis: Wie umgehen mit Pro-Palästina-Camps?

Stand: 11.05.2024, 09:55 Uhr

Wie in den USA demonstrieren auch in NRW-Unistädten Studierende "pro Palästina". Die Protestcamps seien antisemitisch, sagen Kritiker. Für Debatten sorgt auch ein Aufruf von Hochschul-Dozenten.

Von Martin TeiglerMartin Teigeler

In Köln und Bonn wollen Studierende mit Demos und Camps weiter gegen Israels Vorgehen im Gaza-Krieg protestieren. An der Universität Münster fand ebenfalls eine Demo statt. Dort "prüft das Rektorat rechtliche Schritte gegen die Teilnehmer, die zu Störungen aufgerufen und die antiisraelische Parole gerufen haben", so ein Uni-Sprecher. "Pro-Palästina"-Zeltlager sollen gerüchteweise auch an anderen Uni-Standorten in NRW geplant sein.

Wissenschaftsministerium verurteilt antisemitische Parolen

Friedliche Demonstrationen für eine Verbesserung der humanitären Lage in Gaza seien legitim, sagte ein Sprecher des NRW-Wissenschaftsministeriums. Nicht zu tolerieren sei, "wenn es bei diesen Protesten zu gewaltsamen Ausschreitungen kommt, zu Gewalt aufgerufen wird, antisemitische oder antizionistische Parolen skandiert werden, das Existenzrecht Israels infrage gestellt oder zur Auslöschung des Staates Israel aufrufen wird".

Der Staat müsse "gewährleisten, dass jüdische Studierende an den Universitäten angstfrei weiter studieren können", sagte der Vize-Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer, am Freitag im WDR-Interview. Nicht nur von Unis, sondern auch von Schulhöfen werde berichtet, dass jüdische Schüler unter Druck gesetzt und "in Mithaftung" genommen würden, für das was im Gaza-Krieg geschieht.

Pro-Palästina-Camp an der Uni Köln

Beim Camp in Köln fehle wie an anderen Uni-Standorten eine Distanzierung der Veranstalter von "islamistischen und terroristischen Personen und Meinungen", sagte Debora Eller vom Studentenverband "Freier Zusammenschluss von Student*innenschaften" (fzs) am Freitag im Deutschlandfunk. Jüdische Studierende müssten besser vor aggressiv auftretenden antisemitischen Gruppierungen geschützt werden. Bereits nach dem 7. Oktober war dies von jüdischen Studentenvertretern bei einer Anhörung im NRW-Landtag gefordert worden.

Antisemitismusforscher: "Camps sind nicht per se antismitisch"

Mathias Berek vom Zentrum für Antisemitismusforschung an der TU Berlin warnt aber davor, die Protestcamps generell als antisemitisch abzustempeln. "Natürlich haben sie problematische Elemente und natürlich muss man sich die Kritik genau anschauen, die da geäußert wird", so Berek im Interview mit dem WDR. "Aber ich würde nicht sagen, dass sie per se als Protestcamps in dieser Form antisemitisch wären."

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In diesem Zusammenhang sei auch wichtig, wer die Kritik äußere, sagt Berek. "Also es macht einen Unterschied, ob jemand Familie oder Freunde in Israel und Palästina hat oder sich das Thema als politisches Thema selber gesucht hat", so der Antisemitismusforscher.

Umstrittenes Statement von Hunderten Uni-Lehrenden

Für Debatten sorgt auch eine Art offener Brief von Hochschuldozenten. Darin wird die jüngste Räumung eines Protestcamps an der Freien Universität Berlin kritisiert.

In der Stellungnahme wird die "angekündigte Bombardierung Rafahs und Verschärfung der humanitären Krise in Gaza" erwähnt. Der Hamas-Terrorangriff auf Israel vom 7. Oktober 2023 bleibt unerwähnt. Auch das Schicksal der israelischen Geiseln, die weiterhin von der Hamas festgehalten werden, ist den Verfassern keine Zeile wert. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) reagierte entsetzt auf den Unterstützerbrief. Uni-Besetzer würden zu Opfern gemacht und Gewalt verharmlost, sagte sie der "Bild"-Zeitung.

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Bundesweit haben mittlerweile mehr als 600 Lehrende an Unis und Hochschulen die Stellungnahme unterstützt. Laut der online nachlesbaren Namensliste sind darunter auch etliche Dozentinnen und Dozenten der NRW-Hochschulstandorte Bochum, Bonn, Bielefeld, Dortmund, Düsseldorf, Duisburg-Essen, Münster, Hochschule Niederrhein, Köln, Paderborn, Siegen, Witten-Herdecke und Wuppertal. Im Unterschied zu Stark-Watzinger sagt NRW-Wissenschaftsministerin Ina Brandes (CDU) bisher nichts zu dem Dozenten-Aufruf.

"Nicht mit allen Protestformen einverstanden"

Sie habe den Aufruf unterstützt, "weil Universitäten ein Ort bleiben müssen, an dem gesellschaftpolitische Auseinandersetzungen stattfinden können", sagt Mitunterzeichnerin Doris Bühler-Niederberger, Bildungsforscherin an der Uni Wuppertal. Dies müsse auch dann möglich sein, "wenn wir längst nicht mit allen Forderungen und Protestformen einverstanden sind".

Aufruf-Unterstützer Claudius Zibrowius, Professor für niedrigdimensionale Topologie an der Fakultät für Mathematik der Ruhr-Uni Bochum, sagt angesprochen auf Kritik daran, dass in dem Dozenten-Statement der Hamas-Terror unerwähnt bleibt: "Der Angriff vom 7. Oktober ist für die Frage, ob friedlicher Protest an deutschen Hochschulen mit Polizeigewalt unterdrückt werden sollte, unerheblich."

Studierendenverband kritisiert Antisemitismus

Der Studentenverband fzs unterstützte hingegen die Räumung der Protestcamps in Berlin, sprach sich aber gegen überzogene Polizeigewalt aus. Es herrsche bundesweit bei den Protesten "eine aktiv antiisraelische Haltung vor, welche flächendeckend eine antisemitische Rhetorik aufweist", sagt Debora Eller. So würden zum Beispiel Hamas-Symbole verwendet.

Über dieses Thema berichten wir im WDR am 10.05.2024 auch im Fernsehen: Aktuelle Stunde, 18.45 Uhr.