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Hinter Bäumen ist auf einem Hügel die Eifelhöhenklinik in Marmagen zu erkennen.

Das Dorf und die Flüchtlinge: Licht und Schatten in Marmagen

Stand: 25.01.2024, 06:00 Uhr

1.600 Einheimische und 700 Geflüchtete - kann das gutgehen? Die Frage stellt sich seit einem Jahr in dem Eifeldorf Marmagen. Die Antwort fällt noch zwiespältig aus - eine Zwischenbilanz.

Von Annika Witzel

Spätsommer 2023: Die Gaststätte Schmidt "an Justav"s" in Marmagen bei Nettersheim ist rappelvoll. Bürgermeister Norbert Crump (CDU) hat die Dorfgemeinschaft eingeladen, um über die Eifelhöhenklinik zu sprechen. Ein großer schwarzer Klotz, der etwa ein Kilometer vom Marmagener Ortskern auf einer Anhöhe steht. Das Gebäude wird schon länger nicht mehr als Klinik genutzt, sondern als Notunterkunft. Seit Anfang 2023 hat die Kölner Bezirksregierung dort Geflüchtete untergebracht.

Belastung für die Dorfgemeinschaft

Die große Unterkunft mag sich dafür anbieten - aber das Verhältnis zur Größe des Ortes ist bemerkenswert: Im Sommer 2023 leben 1.600 Menschen in Marmagen und 700 in der ehemaligen Klinik.

"Das ist eine Belastung für einen Ort, und das müssen wir auch nicht schönreden." Markus Ramers, SPD, Landrat für den Kreis Euskirchen

Viele der Geflüchteten kommen außerdem nicht aus der Ukraine, wie von der Dorfgemeinschaft angesichts des Krieges erwartet, sondern aus Afghanistan, Georgien, Irak oder Iran. Insgesamt sind anfangs Menschen aus 40 Nationen in der Notunterkunft versammelt.

Wenige Störer, viel Ärger

Das bringt Konflikte mit sich. Es gibt Berichte über Schlägereien und Diebstähle innerhalb der Unterkunft. Insgesamt steigt in Marmagen die Zahl der Kriminaldelikte in den Wochen nach dem Einzug der Geflüchteten auf das Vierfache, meldet die Polizei. Einbrüche, Diebstähle – das sind plötzlich Themen in dem kleinen Eifeldorf. Vorher konnte man dort sein Fahrrad ohne Schloss vor der Tür abstellen, jetzt fangen die Menschen an, Überwachungskameras zu installieren.

Die Kölner Silvesternacht im Hinterkopf

Dazu kommt die Erinnerung an die Kölner Silvesternacht - wo vor acht Jahren hunderte Frauen begrapscht, bestohlen und sexuell belästigt wurden, auch von jungen Männern, die meisten ohne deutschen Pass. Manche fürchten, dass sich die Geschichte in der Eifel wiederholen könnte.

Die Situation belastet aber beide Seiten. Einige Geflüchtete gehen nicht mehr ins Dorf, weil sie nicht angeschaut werden möchten wie Verbrecher, auch wenn sie gar nichts getan haben.

"Es belastet mich wirklich sehr, wenn ich einen Bewohner grüße und er mich nicht zurückgrüßt. Das bedeutet: Er denkt, dass ich ein Dieb oder ein schlechter Mensch bin. Ich bin aber nicht so." Adam aus Syrien

Maßnahmen zeigten Wirkung

Marmagens Bürgermeister Norbert Crump (CDU)

Bürgermeister Crump: Kaufpläne sind gescheitert

Die Behörden und die Dorfgemeinschaft haben aber reagiert: Die Polizei und das Ordnungsamt in Marmagen zeigten mehr Präsenz, Vereine schlossen sich zusammen und organisierten Begegnungen mit Geflüchteten. Wanderungen, Sportfeste, eine Weihnachtsaktion. Die Bezirksregierung zeigte sich begeistert vom ehrenamtlichen Engagement der Einheimischen.

Inzwischen hat sich die Lage im Ort beruhigt. In Marmagen sagen viele Menschen, dass sie heute wenig bis gar nichts mehr von den Geflüchteten mitbekommen. Inzwischen leben auch nicht mehr 700, sondern nur noch 580 Menschen in der Eifelhöhen-Klinik. Aus 15 Nationen. Manche Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner sind aber immer noch skeptisch.

"Ängste haben wir alle, besonders die Frauen, weil größtenteils die Bewohner junge Männer sind. Ich gehe seit Januar des vergangenen Jahres nicht mehr alleine in die Natur, selbst im Dorf ist man vorsichtig." Angela Schnichels aus Marmagen

Bleibt es bei der jetzigen Nutzung?

Und jetzt? - Wäre es nach Bürgermeister Crump gegangen, hätte die Gemeinde die Eifelhöhen-Klinik gekauft, um selbst über die weitere Nutzung zu entscheiden. Denn die Verträge, die die Klinik zur Notunterkunft machen, laufen Ende April aus. Der Gemeinderat lehnte den Kauf allerdings Ende 2023 ab. Nun gilt es als sicher, dass die Verträge um mindestens ein weiteres Jahr verlängert werden.

Über dieses Thema berichtete der WDR am 25.1.2024 auch im WDR 5 Morgenecho ab 6 Uhr.