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Wie das jüdische Pessachfest in Gelsenkirchen für Zusammenhalt sorgt

Lokalzeit Ruhr 22.04.2024 03:12 Min. Verfügbar bis 22.04.2026 WDR Von Jörg Steinkamp

Wie das jüdische Pessachfest in Gelsenkirchen für Zusammenhalt sorgt

Stand: 23.04.2024, 08:36 Uhr

Mit einer zeremoniellen Mahlzeit und Gebeten hat die jüdische Gemeinde Gelsenkirchen am Montag das höchste jüdische Fest Pessach begonnen. Es soll an den Auszug des jüdischen Volkes aus Ägypten vor 3.000 Jahren erinnern und die Befreiung aus der Sklaverei.

Von Solveig Bader

Jelena Prusak steht in der Gemeindeküche und knetet Matzeknödel, eine der traditionellen Speisen, die an Pessach auf den Tisch kommen. 50 Gäste aus der jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen, darunter auch viele Familien mit Kindern, werden erwartet. Alle werden im Gemeindesaal an langen geschmückten Tischtafeln sitzen, gemeinsam essen, feiern, ins Gespräch kommen, singen und beten.

Helena Prusak, die in der Gemeindeküche gerade Mazzeknödel vorbereitet

Jelena Prusak bereitet die Speisen gerne zu

Das ist der Auftakt des siebentägigen Festes, der so genannte Seder-Abend. So nennt sich das jüdische Festessen und dabei kommen symbolische Speisen auf den Tisch. "Neben einer Suppe mit Matzeknödeln gibt es kleine gefüllte Fischklößchen mit Rote Bete-Meerrettich, ein Fleischgericht und als Nachtisch gebackene Äpfel", sagt die Köchin Jelena Prusak stolz.

Pessach: Das "Fest der ungesäuerten Brote"

Zu Pessach gelten strenge Speisevorschriften und besonderes Geschirr kommt zum Einsatz. Auf Getreide basierendes und gesäuertes Essen muss verzichtet werden. Gesäuerte Lebensmittel dürfen auch nicht bei jüdischen Familien im Haus lagern und müssen vorher beseitigt werden.

Pessach wird daher auch das "Fest der ungesäuerten Brote" genannt. Denn als die Israeliten zur Flucht aus Ägypten aufbrachen, hatten sie keine Zeit, Teig für Brote säuern zu lassen. Denn sie mussten sich beeilen, zu fliehen. So wird es in der hebräischen Bibel Thora erzählt.

Gebete aus der Haggada: Freiheit für die Juden

Vor dem Essen sprechen die Gäste ein Gebet sprechen und ein Gemeindemitglied liest die komplette Geschichte der Haggada auf Hebräisch vor. Die Haggada gehört zu den bekanntesten Büchern aus dem Judentum. Sie erzählt die Geschichte der Befreiung des Volkes Israel aus der Sklaverei in Ägypten. Für Judith Neuwald-Tasbach, Ehrenvorsitzende der jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen, ein besonderer Moment.

Ehrenvorsitzende Judith Neuwald-Tasbach

Judith Neuwald-Tasbach freut sich auf das Pessachfest

Sie hat ein altes Exemplar von 1971 mit feinen Zeichnungen mitgebracht, das sie damals von ihrem Vater geschenkt bekommen hat. "Die Kinder werden die Erwachsenen heute Abend fragen: Was unterscheidet diese Nacht von allen anderen Nächten? Die Erwachsenen werden antworten: Das ist die Nacht, in der das jüdische Volk in die Freiheit gezogen ist."

Pessachfest überschattet von Krieg

Überschattet wird die Stimmung unter den jüdischen Gemeindemitgliedern vom Krieg zwischen Israel und Palästina sowie dem weltweit stark anwachsenden Antisemitismus. "Wir denken an die vielen Opfer und fürchten um das Leben der Geiseln, die noch im Gazastreifen festgehalten werden", sagt Judith Neuwald-Tesbach. Deshalb sei es um so wichtiger, am Pessachfest zusammenzustehen.

Vier Gläser Wein auf die Freiheit

"Ein besonderes Ritual ist der Rotwein, der am Pessachfest Pflicht ist , sagt die Ehrenvorsitzende Judith Neuwald-Tasbach. Die Gemeindemitglieder trinken vier Gläser Rotwein. Traubensaft gibt es für diejenigen, die keinen Alkohol vertragen, und für die Kinder.

Der Wein symbolisiert die Farbe des Blutes und das Leben. "Die Gläser werden in einer bestimmten Reihenfolge getrunken und dabei lehnen wir uns auf die linke Seite, die Seite der Freiheit und des Herzens", erzählt die 64Jährige.

Ohne Polizei kein jüdisches Leben mehr möglich

Ohne Polizei sei in Deutschland kein jüdisches Leben mehr möglich, bedauert Judith Neuwald-Tasbach. Deshalb stehen auch am Pessachfest wieder ein bis zwei Streifenwagen vor der Tür. "Seit meiner frühen Jugend gehört die Polizei zu meinem religiösen Leben, das ist sehr traurig".

Sie hofft auf ein Wunder, dass die Juden irgendwann keine Sorgen mehr um ihr Leben haben müssen und in Frieden und Freiheit leben können. "Mit dem Pessachfest zeigen wir: Das jüdische Leben wird weitergehen."

Unsere Quellen:

  • Reporterin vor Ort